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dunkle Tage.

Zu einer Traumatisierung kommt es, wenn ein Ereignis die Belastungsgrenzen eines Menschen übersteigt und dieses Ereignis nicht oder nicht richtig verarbeitet werden kann. 

Und dann kommen sie doch. Die dunklen Tage. Die Tage an denen ich am liebsten unter der Bettdecke bleiben würde, planlos Dinge von A nach B räume und meinen neuerdings strukturierten Tagesablauf nicht bewältigt bekomme. Müde bin, antriebslos und schwermütig.

Dabei scheint die Sonne. Dem Klitzekleinen geht es gut. Wir haben seit Monaten kein Krankenhaus von innen gesehen (toi, toi, toi), ich hab Haushalt, Kinder und Termine im Griff und trotzdem fühlt sich alles schwer an. Ich gehe nicht ans Telefon, nicht ans Handy, nicht an den Briefkasten, nehme keine Einladungen an und geh nirgendwo hin, ich mag niemanden sehen. Ich bin unendlich traurig.

Es ist nicht das erste Mal, ich kenne die dunklen Tage. “ Dat ärme Dier“ -sagt man in Köln auch dazu. Und ich habe es. Dat arme Dier. Es kommt nicht plötzlich, sondern schleicht sich an und wenn ich dann alleine Zuhause bin, dann kriegt es mich. Dann ist nichts da, was mich ablenkt, keine Pubertät, kein anderes Kind was Aufmerksamkeit möchte. Und wenn es mich einmal hat, dann kann ich nichts mehr. Ich kann nicht in den Keller gehen und die Waschmaschine anmachen, nicht den Müll rausbringen und schon gar nicht das Telefon in die Hand nehmen und einen blöden Termin machen.

Frische Luft. Mit dem Klitzekleinen im Wagen. Nach ein paar Metern laufen mir die Tränen übers Gesicht. Die Traurigkeit und die Schwermut holen mich überall ein. Das falsche Lied im Radio und wieder kommen mir die Tränen.

Meine Belastungsgrenze wurde erreicht und überschritten. Die monatelange Angst hat ich geprägt. Hat mich verändert. Jetzt brauch ich Zeit. An diesen Tagen, da brauche ich Zeit um traurig sein zu können. Um hemmungslos weinend auf dem Sofa zu sitzen. Bis es dann klingelt, die Kinder aus der Schule kommen und fragen was es zu essen gibt.

„Nur schnell ein paar Nudeln, ich hatte soviel zu tuen heute. Wie war euer Tag?“

Tränen trocknen, tief durchatmen und weitermachen. Es wird besser werden. Ich weiss das. Verarbeitung in kleinen Schritten und auf Raten. Ich brauch einfach mehr Zeit und Freunde die bleiben… auch wenn ich gerade nicht mehr ich selbst bin.

15 Kommentare

  1. petra sagt

    Du sprichst mir aus der Seele. Mir geht es ganz genauso…kaum scheint alles (nach fast zwei Jahren) langsam ins Lot zu kommen, verlassen mich meine Kräfte und ich könnte manchmal nur heulen. Ich frag mich ob ich das ganze je verarbeiten kann…
    Schön zu wissen dass man nicht alleine ist…

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  2. Silke sagt

    Ich wünsche Dir alle Kraft der Welt und sage Danke für diesen ehrlichen und mutmachenden Beitrag.
    Silke

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  3. Mein Kleiner ist jetzt fast drei. Bei mir ist seit fast einem Jahr der Ofen aus…Ich denke langsam über eine Mutter-Kind-Kur nach…Kann dich gut verstehen!!!

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  4. Chrisi sagt

    Danke Jutta! Dachte schon ich bin die einzige… Hier „schaffen“ wir den Sprung in den Kindergarten einfach nicht… Es geht einfach (noch) nicht, wir machen uns auf den Weg und drehen wieder um. Jedesmal holt mich all die schlimmste und dunkelste Traurigkeit jener sorgenvoller Wochen wieder und wieder ein.
    Ich schicke dir herzliche Grüße und bin so froh über deinen Text! Alles Gute!

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  5. annewill sagt

    wie haben einen kleinen, wenn auch nicht klitzekleinen. ihm geht es gut, ich bin sehr froh, aber dennoch gibt es da die tränen – manchmal einfach so…

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  6. Sitora sagt

    Liebe Jutta,
    ich kann es so gut nachempfinden. Mein erster Sohn wurde in der 33. Woche quasi direkt aus dem Flieger steigend (arbeite im Ausland) geboren, mein zweiter Sohn Anfang Dezember noch auf dem Flug (Ambulanzflug) In der 31. Woche. Wir mussten notlanden und sind in Russland im Krankenhaus. Ich habe geglaubt die Ereignisse um die Geburt nach 2 Jahren verarbeitet zu haben, bin mir jetzt aber nicht mehr sicher und frage mich wie lange ich an der jetzigen Geburt knabbern werde, da es nochmal extremer war (nie vergesse ich meine Panik als der Arzt nach der ersten Presswehe meinte: liegt quer, hilft nur Kaiserschnitt – und wir noch in der Luft). Ich kenne auch diese Traurigkeit aus dem Nichts heraus, das Unverständnis anderer und sogar jetzt das zwischen den Zeilen dahingeworfene: Die zweite Frühgeburt? Du machst doch was falsch? Hast du nicht aufgepasst? – Als ob man sich es wünscht diese Angst um das Kind, das Beobachten ob es irgendeine Spätfolge der frühen Geburt sichtbar wird.
    Danke, dass du deine Gedanken teilst, mir hilft es viel auch weil ich mich oft schuldig fühle ob ich es nicht tatsächlich hätte verhindern können und auch, dass ich beim ersten eine Weile gebraucht habe bis ich Mutterliebe empfunden habe.

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